Trennung vom Hund - oder, warum man niemals vorschnell urteilen solte




Ich habe in meiner Zeit als Tierverhaltenstherapeutin auch schon mehrmals Menschen bei der Vermittlung ihrer Hunde helfen müssen.
Ich habe das immer mit gemischten Gefühlen getan.
Einerseits, weil es in diesen Fällen einfach nicht die richtige Konstellation war, und ich finde, jedes Lebewesen hat es verdient im richtigen Umfeld alt werden zu dürfen.
Andererseits, weil ich dabei meist versucht hae so gut es geht den Menschen unterstützend zur Seite zu stehen. Was in der Regel auch mich das eine oder andere Tränchen gekostet hat.
Diese Entscheidungen waren den Hundebesitzern nie leicht gefallen.
Vor allem, weil viele meinen, wenn man sich einen Hund angeschafft hat, darf man ihn auf keinen Fall wieder abgeben! Dann muss man sich ein Hundeleben lang darum kümmern!

Ich sehe das ein bisschen anders.... 
Natürlich übernimmt man die Verantwortung für ein Lebewesen. 
Und natürlich sollte man sich auch entsprechend darüm kümmern. Keine Frage!
Und definitiv auch nicht vorschnell und aus einer Laune heraus einen Hund (generell ein Tier)

Aber ist es wirklich verantwortungsvoll und fair, wenn ich ein Hund durch mein Leben zerre, wenn es einfach nicht passt?
Wenn ich dem Tier nicht gerecht werden kann?
Wenn es deshalb dauerhaft Stress hat?
Wenn Mensch und Hund trotz Training und allen Versuchen einfach nicht zueinander finden?

Ich sage ganz klar Nein!

Wer hat denn was davon, wenn der Hund sein Leben lang in einer Familie lebt, in der seine Bedürfnisse nicht erfüllt werden können?

Klar, oft könnte man solche Abgabesituationen vermeiden, wenn man sich vorher mehr Gedanken über den passenden Hund und den passenden Zeitpunkt macht.

Aber manchmal steckt man einfach nicht drin.

Ich habe diese Situation selbst letztes Jahr erlebt.
Im April 2014 mussten wir unsere gelibete Hündin Lotte einschläfern lassen.
Nicht nur wir, sondern auch unser Rüde haben extrem getrauert.
Da ich schwanger war, wolte ich eigentlich keinen zweiten Hund mehr.
Aber Gianni hat so extrem abgebaut, dass wir Angst hatten, dass er auch stirbt, wenn er nicht wieder eine Hundefreundin bekommt, die ihm das Pfötchen hält.

Also machten wir uns auf die Suche. nicht Kopflos, irgend einen Hund...
Sondern sehr geplant.
Eine Hündin, ca. sein Alter oder etwas jünger, max, 45 cm, Kinder- Hunde- und Katzenverträglich sollte sie sein.
Mir war das sehr wichtig. Da ich ja schwanger war und mir ein Welpe nicht ins Haus kam.

Nachdem wir wirklich in ganz Deutschland auf der Suche waren, haben wir irgendwann Tiffy entdeckt. Eine KleinElo Hündin, ein Jahr jünger als Gianni, die laut Wesenstest und Aussage auch kein Problem mit Kindern hatte.
Wir fuhren hin, Tiffy und Gianni verstanden sich sofrt, und nahmen sie mit.

Leider stellte sich aber im Laufe der Zeit raus, dass Tiffy einfach kein Familienhund war. 
Und je größer unser Sohn wurde, um so stressiger wurde es für sie.
Auch mit meinem Mann kam sie nicht gut klar.
Da Tiffy mit 7 Jahren noch ihr halbes Leben vor sich hatte, entschieden wir uns, eine neue Familie für sie zu finden.

Die Vermittlung eines niedlich ausseheneden Hundes ist wirklich eine Katastrophe!
Ein Inserat in der Zeitung brachte mir an einem Tag 42 Anrufe.
Davon etwa 1/3 Familien mit Kindern (ich hatte deutlich geschrieben keine Kinder...), 1/3. Senioren über 80, die leider keine Familie hatten, die sich mit kümmern könnte, und der Rest Leute, die nen niedlichen Sofahund suchten....
Schließlich wand ich mit an eine Rassenothilfe.
Diese übernahmen Tiffy kurzzeitig auf eine Pflegestelle, unterstellten mir völlige Ahnungslosigkeit und vermittelten sie zum Glück dennoch sehr schnell in ein passendes Zuhause.
Durch das Internet habe ich das neue Zuhause von ihr gefunden, und habe sehr netten Kontakt mit ihren Menschen.

Ihr geht es im neuen Zuhause super. Sie genießt dort die Ruhe die sie braucht.

Auch wenn wir wirklich alles versucht haben, so kann man manchmal eben nicht aus einem Ruhe liebneden Hundefreigeist beispielsweise einen Familienhund machen, der sich im Haushalt mit einem lebhaften, musikalischen Kleinkind wohl fühlt.

Natürlich hätten wir Tiffy behalten können... Aber was oder wem hätte das was gebracht?
Ein Hund der sich in 3 Jahren nicht mit Kind und Mann arrangieren kann, wir das sehr wahrscheinlich auch danach nicht tun.
Permanenter Stress wirkt sich nachweislich negtiv auf Lebewesen aus.
Ich hätte dann also in Kauf genommen, dass Tiffy krank wird oder sich ihr Verhalten weiter negativ verändert und sie womöglich irgendwann zugebissen hätte.

Ich bin sehr froh, dass wir uns so entschieden haben. Tiffy lebt nun ein glückliches Hundeleben. Und auch bei uns ist das Miteinander deutlich entspannter, weil ich nicht ständig einen unruhigen, gestressten Hund vor den Füßen habe, nicht permanent darauf achten muss, dass mein Sohn nicht in die Nähe des Hundes kommt, und mein Mann nicht mehr böse bellend beim nachhause kommen "begrüßt" wird.

Natürlich sollte man nicht vorschnell, beim kleinsten Problem in Erwägung ziehen, den Hund abzugeben.
Aber ich würde mir auch wünschen, dass so manch einer mehr Verständnis entgegenbringt, wenn ein Hundehalter zum Wohle des Hundes entscheidet ihn an einen passenderen Besitzer zu vermitteln.

Insbesondere von so genannten Tierschutzvereinen würde ich mir sehr oft etwas mehr Feingefühl und Rücksichtnahme auch auf die menschlichen Wesen wünschen!

Klar gibt es auch die Fälle, wo jemand nach ein paar Wochen oder Monaten merkt, dass Welpen anstrengend sind oder irgendwann in die Pubertät kommen und dann nicht mehr niedlich sind.
Da kann ich es verstehen, wenn man das nicht lustig findet. Tue ich auch nicht....
Aber wenn wirklich alles versucht wurde oder sich Lebensumstände ändern, ist es für die Betroffenen schon schwer genug sich zum Wohle des hundes zu entscheiden.
Da brauchen sie nicht noch böse Blicke, dumme Kommentare und stichelnde Beschreibungen auf den Vermittlungsseiten!

Deshalb liebe Mitmenschen, Kolleginnen und Kollegen, Tierschützerinnen und Tierschützer, versucht in so einem Fall einfach mal etwas weniger wertend und mit mehr Empathie an die Sache heran zu gehen.

Denn auch im Tierschutz sollte Platz für Menschlichkeit sein!

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